Es hat ein wenig gedauert mit der ersten ‚Schnauze‘ des Jahres, aber ab und an ist der Berg der Themen höher, als es der Atem zulässt, die Luft ist dünn im ‚Tierschutz‘, so dünn, dass es einem oft genug den Atem verschlägt. Besser: zu oft für sinnvolle Entscheidungsfindung.

Für Verwirrung sorgte – auch bei den Pfoten – mein Eintritt in die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz. Der aber war nur folgerichtig, er steht in den meisten Artikeln der ‚Schnauze‘ immer irgendwo zwischen den Zeilen. Es ist einerseits die Erkenntnis, das nicht alles Gold ist, was glänzt im Bereich der Importpfotenhilfe – ich möchte gerade in diesem Zusammenhang das Wort ‚Tierschutz‘ nicht überstrapazieren – und dass das, was schon nicht Gold ist, teilweise dermaßen stinkt, das es nicht einmal glänzen könnte, selbst wenn es wollte. Merkt nur keiner. Allein dieser Widerspruch zwingt dazu, in weiteren Dimensionen nachzudenken.

Darüber hinaus muss jede(r) kritische und unabhängige Mitbürger(in) irgendwann zu der – schmerzhaften – Erkenntnis kommen, dass die Streunerproblematik nur eine kleine Teilmenge ist im großen Bereich eines richtigen und wichtigen Tierschutzes. Eine sehr kleine.

Während unter großer Anteilnahme jedes einzelne Hundeschicksal begleitet wird – es sind diese Augen, nicht? -, findet das große Töten und Quälen unbeeindruckt rings herum täglich rund um die Uhr direkt vor unserer Haustür statt. Da vegetieren Kaninchen in winzigen Käfigen hin, weil diesen Tieren nach wie vor nicht einmal ein Mindestmaß an ‚Umfeld‘ gegönnt wird, sich aber die sensiblen und vom Aussterben bedrohten EG-Bananen immerhin mit Normbiegungsmaßen und Gewichten einer gewichtigen Aufmerksamkeit erfreuen dürfen. Da werden Gänse lebendig ‚entfedert‘, damit unsere Landwirtschafts- und GesundheitsministerInnen und StaatssekretärInnen ihren von einer aufmerksamen Lobby wohl behüteten Schlaf finden können, aber um das Wohlbefinden der Deutschen Speisekartoffel wird heftig gerungen. Da werden Schnäbel verstümmelt, Tiere maschinell im Akkord den Müttern entrissen, mit Hilfe von Chemie in Rekordzeit aufgeblasen und mit etwas Glück erst NACH dem Tod zu etwas verarbeitet, was in Billigketten als Fleisch in der Pfanne zu bedingt essbarem ohne nennenswerten Eigengeschmack zusammen schnurrt und Heerscharen von Keimen und Erregern gegen Antibiotika resistent macht, da werden Wildtiere in engen Drahtkörben sich kannibalisierend gehalten, um auf und um den Schultern von Menschen zu enden, denen Tiere so wenig bedeuten wie die Mitmenschen, deren Arbeitskraft sie ausnutzen, um diese Qualklamotten zu finanzieren, da werden Delfine zusammen getrieben und unter den Augen ebenfalls intelligenter Artgenossen brutal erschlagen, da werden Singvögel in Netzen lebend gefangen, Fische lebend verzehrt, das Ökosystem der Meere ohne nachzudenken aus dem Gleichgewicht gekippt, kurz, da wird ohne Rücksicht auf die Kreatur ‚produziert‘ in einem Überfluss, der vergessen machen soll, wovon wir alle eigentlich zehren. Ist es da noch ein Wunder, wenn sich Schweinebarone, Hühnerprofiteure, Tierversuchler und andere Ausnutzer lebender Wesen sich freudig auf die Schenkel schlagen, wenn sich so viele auf Mitleid für Hund und Katze stürzen, ohne nennenswert Anteil am ‚Reststerben‘ zu nehmen. Für die Berufsbetroffenen unter den Lesern: so viele bedeutet NICHT alle!

Nur ist Im- und Export leider noch lange kein Tierschutz. Nur können längst nicht alle Hunde, die ein Leben lang auf der Straße lebten, sinnvoll sozialisiert werden, ein geschütztes Leben auf der Straße ist allemal besser als der beengende Verschlag eines Tierheimes, egal, wo es steht. Kastrieren, impfen, chippen, mit Marke am Ohr als untersucht kennzeichnen, im Herkunftsland außerhalb der Städte mit freien Futterplätzen wieder in ihre Freiheit entlassen, unter Kontrolle und mit Aufklärung der Bevölkerung, so muss es gehen. Das ist Nachhaltigkeit, an der sich nur leider kein Geld verdienen lässt. Das und die von keinerlei Kompetent getrübte Ignoranz in Brüssel haben die Lage so schlimm werden lassen, wie sie jetzt ist. Auch ein Foto eines wohl genährten Hundes mit gepflegtem Aussehen, der völlig entspannt am Rande einer Straße ein Nickerchen hält, löst Tsunamies an völlig falsch verstandener Anteilnahme aus, Hintergründe interessieren nicht, sinnvolle und nachhaltige Tierschutzpolitik noch weniger. Emotionen = Interesse = Umsatz und ein bisschen Glanz ums eigene Haupt. Das Thema ist aber erheblich komplexer, als es die willigen SpenderInnen wissen wollen. Da sitzen sie dann alle vor ihren Rechnern und kneifen die Augen bei zu gehaltenen Ohren zu und sagen laut lalalalalalala, bis der Spuk ernst zu nehmender Kritik vorbei ist. ‚Nehme teil‘ – klick…

Wer aber schon ‚Tierschutz‘ in Sachen Streuner kritisch hinterfragt, landet zwangsläufig beim großen Ganzen, dem Tierschutzbegriff per se, der landet irgendwann bei der Entscheidung, was zu tun sei, um einen sinnvollen Beitrag zu leisten, denn drei Wege führen in die richtige Richtung: Aktion, Aufklärung und Politik.

Aktionen sind gut und wichtig, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Wenn sie denn auch gemeinsam getragen werden, so dass sie mit vielen Menschen anschaulich Zeichen setzt, die dann auch von Medien wahrgenommen werden. Wenn. Das Zauberwort heiß ‚aber‘. Aber da muss schon im Vorfeld kontrolliert werden, ob eine Teilnahme adäquat erscheint. Ob der Veranstalter genehm ist. Das Wetter. Der Ort. Die Zeit. Aber es wird ja doch nichts erreicht. Aber was soll ich dann bei dem Sauwetter da herumstehen, wenn nichts erreicht wird. Wenn nichts erreicht wird, könnte ich in der Zeit meinen Hund ausführen, den habe ich ja schließlich auch gerettet. Außerdem liegt diese Botschaft blöd, vor dem Zirkus gibt es keinen Parkplatz, die Parteizentrale interessiert ja keinen, das Ministerium reagiert eh nicht. Es werden schon andere hin gehen. Sicher. Tiere sterben auch morgen noch. Und nächste Woche. Bald ist es lange hell und wärmer. Nicht für alle zwar, aber ein bisschen Schwund ist immer. Aufklärung ist so wieso besser.

Aufklärung setzt Fachwissen und Engagement voraus. Fakten sammeln, recherchieren, unterschiedliche Meinungen einholen, hinterfragen, eigene Quellen suchen, verifizieren, das Ergebnis ausarbeiten, in verständliche Sprache bringen, interessant aufbereiten, anschaulich ausdrücken, als Poster umsetzen, einen Slogan entwickeln, Fotos suchen oder machen, Rechte sichern, eine Präsentation der Ergebnisse ins Netz stellen, zum Download vorbereiten, Fragen beantworten, Diskussionen ermöglichen, Abnehmer und Mitstreiter suchen, Verteiler einrichten, für Aktionen zur Verfügung stellen, sich vom Missbrauch distanzieren, den Hund dafür vernachlässigen, weniger Zeit für die Familie haben, für Freunde sowieso, weniger Geld verdienen oder mehr ausgeben oder beides… Müsste sich die Politik nicht eigentlich darum kümmern?

Politik ist ein schmutziges Geschäft und benötigt viel Energie, Zeit, ein dickes Fell, Überzeugungskraft, Chuzpe, Diplomatie, Kungelei, Fachwissen und die Bereitschaft, sich aufzuarbeiten in unendlichen Sitzungen, feilen an Anträgen, Gesetzesvorlagen, Wahlkämpfen, das Anrennen gegen Vorurteile, Sitzfleisch und breite Schultern, um einen schlechten Ruf gelassen er-tragen zu können. Geduld ist ein seltenes Gut, aber Grundvoraussetzung, um langsam Prozesse anzuschieben, zu begleiten, weiter zu geben, loslassen zu können, zu Grabe zu tragen, von Neuem zu beginnen. Aber ohne Politik und solche, die das auf sich nehmen, geht es nicht. Nutzen Aktionen nicht, nutzt keine Aufklärung. Der lange Marsch durch die Instanzen hatte schon einmal erstaunliche Ergebnisse gezeitigt. Er wird es wieder tun.

Ich habe mich entschieden. Dafür, mit den ‚Pfoten‘ weiterhin auf Aufklärung und eigene Projekte im Bereich der Streuner zu setzen und ab und an mal das Licht in dunkle Ecken zu lenken. Aber auch dafür, ohne Blick auf den Veranstalter an Aktionen teil zu nehmen, die mir wichtig und richtig erscheinen, wenn es die Zeit – siehe oben und unten – erlaubt. Dafür, mein Wissen aus der ‚Pfotenarbeit‘ und meine Erfahrungen von Aktionen mit den Kontakten zu Menschen, die dort aktiv sind einzubringen in die Arbeit für eine Partei, die sich ganz explizit den Tierschutz auf die Fahnen schrieb, ohne dabei Mensch und Umwelt aus den Augen zu verlieren.

Damit sehe ich mich keinesfalls als Vorbild, aber es macht mich glücklich, wenn ich im Rahmen meiner bescheidenen Beiträge Menschen interessieren und mitnehmen kann. Menschen fangen ist erlaubt und unterliegt nicht dem Tierschutzgesetz…

Wer aber welchen Weg gehen möchte, muss schon jede(r) für sich entscheiden

© Michael Marx – 01/2012

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