Sorry, zuerst muss ich enttäuschen: eine weinerliche Selbstbeschau, eine Egopolitur, eine keifende Schuldzuweisung wird hier niemand finden. Aber ein kleines Resumée, mehr staundend als wütend, eher dinstanziert, belustigt über die eigene Unzulänglichkeit, darf erlaubt sein. Heraus kam ein Stück Realsatire. Tierschutz, wie immer.

Wenn der Instinkt versagt

Wer Publizistik studiert, der lernt, zu differenzieren, zu recherchieren, Misstrauisch gegenüber Hochglanz zu werden, sensibel auf Zwischentöne zu achten und – bis zum Abschluss einer auch dem Selbstschutz dienenden Bestandsaufnahme – auf Distanz zu bleiben. Ein bisschen Journalistik ist für jeden gut, Entschuldigung, wäre. Da aber heute selbst Google zu viel Initiative erfordert, bleibt das oft aus. Zu oft, manchmal auch bei mir – und das hatte Folgen.

Halb früh im Jahr erfuhr ich von einer Veranstaltung, die am gleichen Tag weltweit statt finden solle, für Deutschland – natürlich – in Berlin. Da man nicht alles allein machen könne, bräuchte man jemanden, der Texte schreiben könne und Pressearbeit. Sowieso.

Gut, dachte ich, weltweit für die Tiere, schöne Idee, da muss schon einiges dahinter stecken. Die Demo sei angemeldet für 10.000 Menschen. In Berlin. Mit Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor. Donnerwetter. Da wollen wir mal die Ärmel hoch krempeln. Wo die Webseite sei? Ach? Noch keine für Deutschland. Das ist doch ein Essential heute, gerade als Infopool für Interessierte und Presse, für News, Hintergründe – und überhaupt. Glöckchen eins überhört.

Die Webseite war relativ schnell erledigt, von höchster Stelle sehr gelobt – und der eigene Webauftritt in den USA angepasst. Schönes Kompliment, meine Arbeit war ja ehrenamtlich, alles schick.

Was für eine spektakuläre Strecke durch Innenstadt und Regierungsviertel – Abschluss vor dem Brandenburger Tor, Bühne, Künstler. Bühne? Künstler? Ja, es gäbe da sicher Künstler, die kostenlos Musik machen würden, ein paar Infostände, das ist doch toll, man wolle doch klein anfangen in Berlin. Wollen wir raten, was hier nicht stimmig ist? So, als wären wir Journalisten und keine Facebookler? OK:

Demo in Berlin. Der Tagesspiegel weiß zum Thema zu berichten:

„Seit Jahresbeginn 2009 gab es 2754 Demonstrationen in der Stadt, 2008 lag die Gesamtzahl nur bei 2345. In den vergangenen 15 Jahren hatte es nur 2003 mehr politische Versammlungen in der Stadt gegeben: Damals waren es 3022, Grund war vor allem der Irak-Krieg“ – Zitat Ende. Es handelt sich im Übrigen allein um angemeldete Demos.

Aufmerksamkeit zu erringen in Berlin ist schwer. Zumal dann, wenn immer noch kein Geld da war, um wenigstens die kostenlosen Künstler auftreten zu lassen. Keine Dixi-Klos, kein Strom, keine Info-Stände, keine Flyer, kein nichts. Glöckchen Nummer zwo.

Also musste ein Konzept her. Ehrenamtlich, Tierschutz, ihr wisst. Da die geplante Veranstaltung weltweit statt finden  und via Internet – keine EB-Teams, keine Video-Leinwände, kein Videoschnitt, da immer noch kein Geld – gestreamt werden sollte, zudem Pressekonferenz und ein vielleicht international anerkannter Star auch ohne Gage zu bekommen wäre, kann das ‚Ding‘ doch groß aufgezogen werden. Dann kommt die Presse, dann kommen – vielleicht – Politiker, dann kommen viele Menschen, die erst durch so einen Event zum Thema Tierschutz zu bringen wäre. Also groß und mit Sponsoren.

Die Alternative? Privatpersonen geben Geld für jeweils eine Aufgabe, es fließt Spendengeld, alles etwas kleiner, überschaubarer. Die Krux: dieses Geld wäre definitiv dem Tierschutz entzogen worden, viele Menschen hätten viel gegeben, was dann eben vergeben gewesen wäre, weg, ausgegeben.

Sponsoren wollen etwas. Sie möchten sich mit einem Projekt schmücken, es zu PR-Zwecken nutzen – und zahlen dafür. Wie für eine Dienstleistung, von der Steuer absetzbar. Eine so genannte Win-Win-Situation. Das ist Geld, das dem Tierschutz nicht entzogen werden würde, weil es direkt nie in den Tierschutz gegangen wäre. So schon. Indirekt. So machen das alle Arten von Veranstaltungen, die Mittel brauchen, die sie anders nicht aufbringen können.

Jede Privatperson, jede Firma, jeder Verein kann sich eine Veranstaltung von Sponsoren bezahlen, ausrichten lassen. Es ist keine Spende, muss also nicht Steuer befreit sein, da als Ausgabe für PR und Werbung voll absetzfähig. Sponsorengelder kann jeder akquirieren, Spenden nicht. Man muss es nur wissen. Und zur Durchsetzung großer Ziele gilt: pecunia non olet.

Vom Irgendwo aus dem nirgendwo der USA kam Einspruch. Nein, keine Party, ich will ernsthafte, getragene Demonstration. Das sah Europa anders und machte den Weg frei. Aber aus Glöckchen drei war inzwischen eine ausgewachsene Glocke geworden. Der Journalist in mir rekelte sich.

Aber die Arbeit machte Fortschritte, das Team arbeitete effektiv, ich versank in meiner Arbeit, die Bühne zu füllen und – richtig, da war doch noch was – Geld einzufordern. Für die Kosten der Kundgebung. Der Aufmerksamkeit.

Schließlich sagte eine Künstlerin zu, die Aufmerksamkeit erzeugt, wo sie spielt, mit internationaler Band, deutschen Texten und unverwechselbarer Stimme, immer live, immer das Haus rockend. Auch mit gefühlvollen Balladen. PR-Herz, was willst Du mehr?

Hallo? Geld, was sonst?

Um Sponsorengeld aber in erforderlicher Menge auch zu bekommen, reicht ein Konzept nicht aus. Da muss Veranstalter, Team, Kompetenzen, das Umfeld, kurz, alle relevanten Parameter stimmen. Wer aber waren nun die Initiatoren?

Alle Recherchen ergaben nicht viel, keine Organisation, keine funktionsfähige Struktur, keine nachweisliche Kompetenz, es fand sich nichts, was einem Sponsoren hätte präsentiert werden können. Nachfragen immer und immer wieder: kein Verein, dann doch die Gründung, besser, die geplante Gründung in Luxemburg, dem Land, bei dem alle Steuerfahnder steil gehen, so schön es landschaftlich auch ist.

Glocke vier machte inzwischen ordentlich Lärm: Satzung unbekannt. In London kritische Threads gelöscht, wichtige Multiplikatoren im Mutterland der Demokratie gleich mit. Und Tschüss. Der PR-Super-Gau konnte gelöst werden, die kompetente Task Force gab danach aber leider auf. Viel blieb nicht übrig.

Dann kam eine Satzung ohne nennenswerten Inhalt, war auch nicht wichtig, die Gründungsdokumente waren verschwunden. Also keine Organisation, keine Verantwortlichkeit, kein Konto. Kein Geld.

Glocke fünf? Im Nachbarland wurde viel privates Geld – Spendengelder, schon vergessen – in die Hand genommen, um dort den Event zu organisieren. Aber der Wunsch, einen nationalen Verein zur Durchführung der kommenden Events zu gründen, wurde nicht erfüllt: keine Genehmigung. Mit welchem Recht wird da verweigert? Wir wissen es nicht und werden es wohl nie erfahren. Demokratie zum Tierschutz, die Glucke sitzt auf den Eiern, ein schönes Bild.

Das kakophonische Glockenspiel kam zu spät. Statt die Ideen aufzugreifen, statt nationale wünsche und Gegebenheiten zu akzeptieren, wurde in Threads das Gegenteil verkündet wie in PNs geschrieben, die üblichen Claqueure klatschten wie erwartet im Takt, statt Vorschlägen Nackenschläge und zum Glück konnte der staunenden Öffentlichkeit – nicht vergessen, wir befinden uns noch immer auf Facebook – ein böser Mensch, ein tierschützlicher Antichrist, präsentiert werden. Ich. Der lange genug dumm genug war, seine ganze Arbeitskraft und die seiner Mannschaft einer Idee zu Opfern, die lediglich einen schrillen Lichtkegel ins Irgendwo im Nirgendwo zu richten in der Lage ist durch Bevormundung, Ausbeutung ahnungs – und leider kritikloser Helfer, Annahme deren Gelder für die Durchführung, Unterdrückung von Kritik samt Verunglimpfung der Kritiker, Spaltung und Mobbing – tolle Idee, sonst aber das Übliche wie bisher im ‚Tierschutz‘

Mein Konzept, nationale Vereine zu gründen, in denen Mitglieder der wichtigsten Organisationen den Vorstand stellen, um gemeinsam mit Kompetenz, Wissen, Seriosität und lebendiger Streitkultur etwas zu erschaffen, was Jahr für Jahr immer mehr Menschen auf die Straße bringt, um mit Information, Interview, Berichten und Show nachhaltig zu fesseln. Unübersehbar für die Politik und ein Solitär unter 2.700 Demos pro Jahr. Erfolg garantiert. Das alle relevanten Kontakte das Konzept stützen, versteht sich von selbst: Praktiker wissen halt, wie es geht.

Ach ja, der Antichrist. Wird mit seinen Pfotenkriegern weiter die Arbeit des Vereins tun, beobachten, recherchieren und berichten. Aber den guten Namen noch einmal zu Markt tragen, um eine ‚gute Idee‘ für eine handvoll Menschen in die Waagschale zu werfen, die sich bei genauer Betrachtung als genau das erweisen, was wir im ‚Tierschutz‘ nicht mehr sehen wollen? Nie wieder.

Für 2011 werden wir alles geben, den Karren doch noch aus dem Dreck zu ziehen, Denn den Humor habe ich in diesem Theater, das längst zur Schmierenkommödie mutierte, noch lange nicht verloren. Munition dafür gibt es täglich. Aus dem Irgendwo im Nirgendwo.

Eine gute Idee allein macht noch lange keine gute Tat, eine große Idee braucht immer auch ein tragfähiges Gerüst – vieles basiert halt doch auf den Regeln von Mathematik und Physik. Wie beruhigend. Irgendwie.

Nachtrag 5.9.2011

Friede sollte sein, Duldung, Unterstützung, irgend etwas, was den 1. WEEAC nach vorne bringt, sich entwickeln lässt, um dem zweiten eine Fortführung, diesmal aber mit einem tragfähigen Konzept, zu gönnen. So tönte es auch aus dem Nirgendwo. Aber falsch: es wird weiter getrickst und getäuscht. Wie ehedem.

Nun kursieren Mails an alle kompetenten Helfer der diesjährigen Veranstaltung, in denen behauptet wird, wir als die Nachfrager, die Kritiker und Einforderer von Transparenz, hätten schon von Anfang an gewusst, dass ein Luxemburger Verein in Gründung sei. Reine Erfindung. Wäre es so, hätten wir uns sofort aus dem ‚Projekt‘ zurück gezogen. Mein Drängen auf Bekanntgabe eines Vereins, einer verlässlichen Struktur, datiert auf den 27. Juli. Antwort: keine. Aus Luxemburg konnte ich von einer geplanten (!) Vereinsgründung dort staunend am 22. August erfahren. Immerhin.

© Michael Marx – 09/2011

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