Wer sich intensiver mit dem Begriff ‚Tierschutz‘ auseinander setzt, wird irgendwann Kopf schüttelnd zu der schmerzhaften Erkenntnis gelangen, das es quasi unmöglich ist, ihm satirisch zu begegnen. Irgendwie trifft jede noch so starke Überhöhung irgendwo ihren wahren Kern, selbst in der extremsten Form ist sie irgendwo Realität, gräbt man nur tief genug und beeinflusst jede Entscheidungsfindung.

Der heutige Artikel ist im Prinzip eine Weiterführung, eine Ergänzung des gestrigen und wird Teil einer Reihe sein, die in unregelmäßiger Folge Gesamtheit oder Teilaspekte aus meiner subjektiven Sicht beleuchtet. Es gibt ein paar Redundanzen, da aber einige Teil I nicht gelesen haben werden, ist das nicht so schlimm. Alle anderen mögen mir das verzeihen.

Der Tierschutz, gesetzlich eher mager ausgestattet, mehr schlecht als Recht definiert und – noch – für das humane Stimmvieh, also für die Parteipolitik, nicht relevant, zieht alle möglichen und unmöglichen Organisationen, Vereine, Einzelkämpfer und Krisengewinner an, wie das Licht Motten. Vom militanten Tierbefreiern über leichtfertig nach dem Gieskannenprinzip irgendwohin spendenden Mitleidigen, ehrenamtlich hart arbeitenden Helfern, notorischen Spendensammlern, Kleinkriminellen bis hin zur organisierten Kriminalität ist das ganze Spektrum der üblichen Verdächtigen versammelt. Nur die Politik eben nicht. Weil es da noch andere gibt, die prächtig verdienen wollen und dies auch völlig ungeniert tun. Die Gegenseite gewissermaßen. Diejenigen, die uns durch Niedrigpreise weiß machen wollen, dass es Tieren mit halben Schnäbeln, im eigenen Kot stehend, entgegen ihrer Art zusammen zusammengepfercht, über tausende von Kilometern auch im Hochsommer unklimatisiert transportiert, mit Chemie vollgestopft, eigentlich ziemlich gut geht, sie hätten es doch warm und trocken, müssten sich nicht scheren um Futtersuche und überhaupt. Die haben Geld. Die haben aber auch Zeit. Alle Zeit der Welt. Aber warum?

Weil ‚Tierschutz‘ mit immer größeren Gänsefüßchen geschrieben werden muss, sorry, liebe Gänse, es geht nicht direkt gegen euch, dafür sorgen unter anderem die im selben Satz Beschriebenen. Weil Hühnerbarone, Schweinepäpste und Rinderkönige sich gemütlich zurück lehnen können durch die totale Politikverweigerung der? Politiker. Ausgerechnet. Da müssen lieber einige hunderttausende Tiere elend leiden und verrecken, um nicht einige tausend Billigfleisch-Junkies als potentielle Wähler zu verprellen. Dazu kommt, dass es bis heute offenbar nicht gelungen zu sein scheint, der zuständigen Ministerin Aigner mal in einer ruhigen Stunde bei Tofu-Geschnetzeltem an Brokkoli und Folienkartoffeln aus erneuerbarer Bodenhaltung zu erklären, welchem Ministerium sie überhaupt vorsteht. Aber schuld? Braucht es nicht Kompetenz, um schuldig zu sein an etwas? Oder Macht? Macht nix, die EU bestimmt. Nicht?

Zumindest legt die EU Bananenbiegungseckdaten fest und die Einteilung von Eiern in Klassen und schreibt den Kartoffeln vor, dass sie gefälligst unter der Erde zu wachsen hätten und nicht an Bäumen, Sträuchern und/oder Stauden. Richtig: die EU gibt die Richtung vor. Und verteilt – aha! – Geld. Viel Geld. Sie gibt den Agrarunternehmen für die industrielle Ausbeutung von Großvieheinheiten – immer schön die Emotionen unten halten – riesige Summen, auch dafür, dass es sich lohnt, lebende Tiere einige tausend Kilometer durch die Gegend zu kutschieren, weil der Transport – irgendwie noch lebend hin und nach dem Schlachten definitiv tot wieder zurück – das ‚Fleisch‘ um ein paar Cent / Kilo billiger macht. Die EU gibt auch Futtergeld für Hunde in Italien, woran wiederum die Mafia kräftig verdient und kein Interesse hat an Vermittlung oder gar Kastration, an jedem Hund wird verdient, Nachwuchs verbessert das Geschäft. Die gleiche EU aber subventioniert das Töten von Streunern in Osteuropa. Da wird dann daran verdient, dass man nicht schonend ‚euthanasiert‘ unter Anleitung von Ärzten, also qualfrei, sondern lieber vergiftet, erschlägt, erdrosselt, überfährt und die Reste, oft schon tot, in fahrbaren Krematorien röstet. Alle wissen es. Aber die EU ist in Brüssel und will nichts wissen.

Würde die EU nur ein Bruchteil der Zeit auf Tiere verwenden, die sie dafür verschwendet, wer wann und wo zu welchem Preis was für Bananen an wen verkaufen, dann wären wir ein gehöriges Stück weiter. Sind wir aber nicht.

Da wären wir wieder bei uns. Was tun wir? Rennen aufgeregt umeinander, um die immer gleichen, schrecklichen Bilder verstümmelter Hunde zu sehen, immer die gleichen Bilder, die zum Spenden, zum Kaufen zwingen wollen, egal was, wo, bei wem und wofür. Da wird gerettet was das Zeug hält und auch Deutsche Tierheime befüllt und unendlich viele kleine und große Dramen spielen sich ab mit Mobbing, unsozialisierten Straßenhunden in Anfängerhänden mit Kindern, mit Spenden für Tierheime, die nie entstehen von Menschen, die immer und überall anders heißen, da geben große Organisationen nur Bruchteile ihres Vermögens (?) für Tierschutz aus, wenn keine Kameras surren, da gründen sich immer neue und ganz andere und noch mehr Vereine, die alle knurrend und hungrig um den Futternapf hecheln auf der Suche nach den größten Brocken, immer mehr Hungrige um einen Futternapf herum, der eher magerer befüllt wird, als mit zu wachsen. Und sie bellen und beißen und verstehen nicht, dass die Probleme ganz woanders liegen. Und sie wollen es nicht verstehen, weil sonst auch andere verstehen würden und der Futternapf noch weniger befüllt werden würde. Unwissenheit ist das beste aller Ruhekissen. Die der andern für die eigene Ruhe. Natürlich.

Kommt dann eine neue Organisation, die den Weltfrieden fordert und selbst den Krieg aus den eigenen Reihen sät, wandert höchstens die eine oder andere Augenbraue ein paar Millimeter nach oben. Wer da zusammen führen möchte, was nie und nimmer zusammen gehört, macht sich lächerlich:

A redet nicht mit B, weil die mit C zu tun haben, die bekanntlich unseriös sind, was E vehement bestreitet, ob wohl der gerne mit A, die selbst aber auch noch mit Z verfeindet sind, gegen Y vorgehen möchte, wenn er nur können würde, da P ihn daran hindert, der aus Ehemaligen von C besteht.

DAS ist die Realität. Und da – welch elegante Schleife – muss die Politik her. Müsste.

Hat sich schon einmal jemand ernsthaft gefragt, warum Tierquälerei so lax behandelt wird? Wäre es anders, wie müsste denn dann mit den industrialisierten Massentierquälereien verfahren werden? Was hätte das für Auswirkungen auf die Steuereinnahmen? Oder Lebensmittelpreise? Oder – nicht auszudenken – auf Wählerstimmen?

Aber gerade um eine Partei, die sich – unter anderem – den Tierschutz auf die Fahne geschrieben hat, wird ein großer Bogen gemacht. Zu klein, dass lohnt sich nicht. Da ist meine Stimme doch verloren. Und gehen prompt nicht wählen. Und die Stimme? Nicht verloren? Oder wählen eine Partei, die im Tierschutz nichts oder wenig zu reißen vermochte oder vermag oder nicht einmal Versuche unternahm. Und die Stimme? Verloren. Natürlich könnte – rein theoretisch – ein Tierschutz FDP-Wähler sein. Ich meine, als Kassenwart so manch einer Organisation. Besser: Schatzmeister. Theoretisch.

Da sitzen dann am Wahltag alle mit dem Prädikat ‚Tierschutz‘ geschmückten mit den Händen in den Hosentaschen und warten auf Wunder. So wird das aber nichts. In den 80er Jahren gab es eine Wählerinitiative in Berlin, die mit dem griffigen Slogan warb: „Besser ein scharfer Splitter, als drei morsche Balken!“ DAS ist es, was in der Politik gebraucht wird: eine Partei mit dem Tierschutz im Namen, die in den Parlamenten vertreten die Stimme erheben kann, der scharfe Splitter, der aufmerksam macht, pickst, stichelt, stört. Dazu muss der Splitter aber auch autorisiert werden. Durch Wählerstimmen. Von Menschen, die wissen, dass sich nie etwas ändern wird, wenn SIE nicht erst einmal den Anfang machen. Der Gedanke, dass es ohne Politik geht, führt zu nichts, was der Kreatur nachhaltig helfen könnte.

Innerhalb der letzten Jahre habe ich brutal viel lernen müssen und Lehren daraus gezogen. Es fing mit einem Hund aus einem Mallorquinischen Auffanglager an und führte mich über die Vereinsgründung der Pfotenkrieger bis in die Politik. Weil verstehen allein nicht ausreicht. Weil einmischen nötig ist. Weil aufregen allein nichts bewirkt. Weil ich meine Stimme nicht verschenken möchte. Weil ich es einfach satt habe.

Der nächste Artikel der Reihe ‚Entscheidungsfindung‘ wird sich mit der Streunerpolitik befassen.

© Michael Marx – 01/2012

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