Oh Gott, ich habe gesündigt. Der Herr erleichtert mich um 35,00 €. Der Herr hieß nicht Gott, hatte den Nacken eines Andalusischen Arena-Stieres und fast dessen Bräune und kam vom Verordnungsamt. Der Herr trug Uniform, strömte mit weiteren fünf Uniformierten aus einem dezent dunkelblauen Ford Transit und umzingelte mich allein.

Er fragte mich, warum er mich wohl fragen würde. Ich antwortete, dass ich seine berühmten Kollegen schon oft im Fernsehen bei ihrer Tätigkeit observiert hätte, die Reihe hieße ‚Achtung Kontrolle‘. Und ja, ich hätte meinen Hund wohl ohne Leine hier im Park unerlaubter Weise auf Radler-, Jogger-, und Artgenossenbeine losgelassen, sähe meinen Fehler ein und würde mit Freuden den zu erhebenden Obolus der Staatskasse gutschreiben. Man wünschte sich – während die Kollegen und Kolleginnen des mit zugeteilten Kollegen in observierungstechnisch optimiertes Buschwerk ausschwärmten – einen guten Tag und gleichnamigen Weg und setzte diesen dann auch fort. Mit Leine ich, mit Fahndungserfolg er.

Und?

Litanei, Gebetsmühle, Wildschwein in Aspik: Laut Gesetzgeber besteht in öffentlichen Grünanlagen die Pflicht, Hunde zu deren allfälliger Kontrolle mit fester Leine und maximaler Länge von 120 cm anzuleinen, generell. Im Stadtgebiet Berlins auch, es sei denn, es liegt eine behördliche Leinenzwangsbefreiung vor. Wir – Chica und am kostenpflichtigen Leinenende ich – befanden uns zum Tatzeitpunkt in einer öffentlichen Grünanlage, dem Viktoria-Park in Bürlün Krüzbürg. In diesem Falle ohne Leine. Und ohne Kopftuch. Chica natürlich.

Und?

Hundehalter klagen. Über Hundesteuer, die ja wohl die Beseitigung der Hinterlassenschaften der Lieblinge beinhalte. Über Westerwelle, aber wer tut das nicht. Über Ballklau, Zecken, Tierarztpreise, Beissattacken – anderer Hundebesitzer – und über die netten Menschen des?

Ordnungsamts.

Wenn ich schneller fahre, als es nicht die Polizei, sondern der Gesetzgeber erlaubt, ist das Abzocke. Wenn ich auf Gehwegen radele, was der eben genannte Gesetzgeber verbietet, ist das meine Sache. Wenn mein Hund mitten auf dem Gehweg endlagert, sind das Kollateralschäden. Entschuldigung – wo leben denn SIE?

Ich habe meine Personalien mit einem Lächeln abgegeben, hatte einen sehr netten Plausch mit dem Koloss vom Viktoriapark, fühlte mich danach nicht schlecht und hatte einen tollen Tag. Mit Chica. Warum?

Wir werden alle durch unzählige Gesetze geschützt. Tag für Tag. Wir sind darauf angewiesen, das Gesetze unsere Interessen im Berufsleben, auf der Straße und im täglichen Leben regeln und schützen und dieser Schutz auch durchgesetzt wird. Wir rufen das Ordnungsamt, wenn unsere Einfahrt zugeparkt ist, wenn des Nachbars Wiese auf unserem Rasen keimt, wenn hier und wenn da. Und dann ist das Geschrei groß, wenn dieses Ordnungsamt dann auch tätig wird, wenn SIE, WIR gegen Gesetze verstoßen, dann ist das Geschrei groß. Warum?

Als bekennender Querulant führe ich meinen Hund an der Leine, fülle Tütchen um Tütchen mit dem Unaussprechlichen, parke nicht auf Behindertenplätzen, fahre mit meinem Rad nie auf dem Gehweg – und fühle mich nie eingeengt. Warum auch?

Klartext: Nichtraucher benötigen mehr Schutz als Raucher, Nichthundebesitzer mehr als Hundebesitzer. Kein Mensch mit Höhenangst muss auf einen Turm, kein Klaustrophobiker in eine Röhre – aber Menschen mit Angst vor Hunden sind gezwungen, unsere Leidenschaft zu erdulden. Wir sind privilegiert. Wir haben aber auch die Pflicht, Rücksicht zu nehmen.

Wer einerseits die Einhaltung von Regeln und Gesetzen anmahnt, darf sie andererseits nicht verweigern. Auch nicht beim Verordnungsamt.

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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.  – © Michael Marx – 05/2010

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