Neulich in einem Fachgeschäft für Vogelfutter, Katzenstreu, Aquarien, Heimtierzubehör, Welpen und was man sonst so braucht, einem echten Welpenwunderland?
„Tach!“
„Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ick hätt‘ gerne nen Welpen.“
„Was haben Sie sich denn da so vorgestellt?“
„Na, so nen süßen, kleinen halt.“
„Ja, gut. Aber Sie müssen doch gewisse Vorstellungen haben, zum Beispiel, welcher Rasse?“
„Ja, klar. Hund, dachte ich.“
„Nein, ich meine, welche Hunderasse?“
„Na, eine, die gut hört und nicht bellt. Wir wohnen nämlich im dritten Stock neben den Wiecherts. Dabei läuft da ständig der Fernseher. Ständig!“
„Also, ob ein Hund bellt oder nicht, das ist Sache der Erziehung!“
„Wie. Erziehung. Ick dachte, ick hol‘ mir nen Welpen und gut is.“
„Guter Mann, ein Welpe ist ein Hundebaby und muss alles erst lernen. Die sind auch nicht stubenrein.“
„Bitte?“
„Nicht stubenrein.“
„Bitte?“
„Na, die machen schon mal in die Wohnung!“
„Was?“
„Ein Baby kann schließlich auch nicht gleich aufs Klo, oder?“
„Die scheißen in die Wohnung?“
„Am Anfang schon, ja. Das müssen Sie denen erst bei bringen, das nicht zu tun.“
„Ach ne. Dann will ich einen Welpen, der das kann.“
„Dann ist es aber kein Welpe mehr!“
„Ach ne.“
Otto N. ist sichtlich überrascht, kratzt sich nachdenklich am Kopf und unternimmt einen neuen Versuch:
„Was’n mit dem da? Dem hellbraunen? Der sieht janz flauschig aus.“
„Das ist ein Golden Retriever.“
„Blöder Name. Der kriegt nen anderen, soviel ist sicher.“
„Golden Retriever ist die Rasse!“
„Und wie heißt er?“
„Das ist ein Mädchen. Sie heißt Shiva!“
„Mädchen kommt nicht in Frage.“
„Warum nicht?“
„Nä. Mädchen machen nur Stress. Bine, sag ick immer, Bine, nöl‘ nich so rum, mach, daste in die Pötte kommst. Immer shoppen und ich muss sehen, wie’s ran kommt. Kein Mädchen!“
„Also ein Rüde!“
„Ja, aber ein Männchen. Wie sehen Rüden aus? Bellen die?“
„Ein Rüde IST ein Männchen!“
„Immer?“
„Immer!“
„Und wo kommen die dann her, wenn dit allet Männchen sind?“
„Was?“
„Na, wenn alle Rüden männlich sind, wie pflanzen die sich denn fort?“
„Sie haben ja überhaupt keine Ahnung!“
„Wollen Se mir nu einen Welpen verkaufen, oder ja?“
„Alle männlichen Hunde bezeichnet man als Rüden!“
„Dann sagen Se dit doch!“
Otto N. ist genervt, schaut sich im Laden um und sieht zwei Hunde, die ihn interessieren.
„Wat sind denn dit für welche bei die Dame?“
„Das sind Möpse!“
„Was?“
„Möpse!“
„Meinen Sie, ick kiek der Alten auf die Titten? Was? Is ja unglaublich!“
„Möpse sind eine Rasse, eine Hunderasse!“
„Ha, ha, ha, der war gut. Dann hätt‘ ick ja schon zwee zu Hause und müsste nich hier meine Zeit verplempern.“
Otto kriegt sich kaum ein, kann sich nur mit Mühe beruhigen.
„Also Butter bei die Fische, entweder Sie zeigen mir jetzt mal so’n Welpen, oder ich geh‘ woanders hin.“
„Wie ich gehört habe, wohnen Sie in einem Mehrfamilienhaus, richtig?“
„Richtig. Aber was geht Sie dit eigentlich an?“
„Weil das wichtig ist. Ich kann in einer Mietwohnung nicht alle Hunde halten. Die brauchen auch ein passendes Umfeld.“
„Kann er alles haben: Hundeklo, Kratzbaum, Spielzeug. Ein Balkon ist auch da.“
„Ein Hund braucht regelmäßig Ausgang. Er muss lernen, sein Geschäft nur draußen zu machen. Er muss lernen, wie er sich zu verhalten hat, Am besten in einer Hundeschule.“
„Nu is aber jut! Nachher hat der Köter ’n Abi und ich nich, wa?“
„Es ist wie bei einem Kind, ein Hund braucht Ausbildung!“
„Kloppe gibt’s, wenn er nicht spurt. Dit merkt er dann schon!“
„Sie können doch ein Tier nicht schlagen! Sie müssen den Hund belohnen, wenn er was richtig macht.“
„Meinen Sie, mein Boss hätte mir mal jelobt für mein Job?“
„Ja, sie wissen offenbar nicht, was auf sie zu kommt.“
„Wie, was auf mich zu kommt?“
„Ein Welpe muss geimpft werden, muss regelmäßig zum Tierarzt, er braucht viel Zuwendung und Liebe, muss beschäftigt werden, braucht Erziehung, Ausbildung. Das ist eine Menge Verantwortung.“
„Hm“
„Warum legen Sie sich nicht einen Hund zu, der schon ein paar Jahre alt ist und das alles schon kann, was er können muss. Aus dem Tierheim zum Beispiel?“
„Nen Gebrauchten? Wat denken denn die Nachbarn? Dat ick mir keen Neuen leisten kann? Wa? Watt is’n dit für ein Tipp? Aus’m Heim, wa? Warum bin ick wohl hier? Ick dachte, dit is’n Fachjeschäft, wa? Wenn ick ’n neuen Hund haben möchte, geh ick nich ins Heim! Also mal ein bisschen zügig. Was können Sie mir empfehlen?“
„Wir haben da gerade ein paar wunderschöne Pudel-Welpen herein bekommen. Die sind sehr gelehrig, unkompliziert und auch gut für Allergiker, weil sie kein Fell haben, sondern Haare. Das hält auch die Wohnung sauber!“
„Zeigen Sie mal.“
„Da drüben in der zweiten Box.“
„Gott, sehen die schwul aus. Nix für mich, nä.“
„Die werden doch größer!“
„Nä. Keine Pudel. Ne Pudelmütze hab‘ ick schon. Ha,ha,ha…“
Otto N. amüsiert sich königlich und seine Laune bessert sich wieder.
„Wie is’n dit mit die Steuer?“
„Wie?“
„Na, jeht dit nach Jewicht, oder wat?“
„Was? Ach so, nein. Die Hundesteuer ist für alle gleich!“
„Dann sollte ick vielleicht ’n Großen koofen, wa? Damit sich dit rechnet, oder?“
„Das bleibt natürlich Ihnen überlassen. Aber ein großer Hund frisst auch mehr.“
„Ooch wieder richtig.“
„Nächste Woche bekommen wir einen frischen Wurf Golden Retriever rein, das wäre bestimmt was für Sie!“
„Golden was?“
„Golden Retriever. Wie die süße Maus da hinten. Die werden etwa 60 cm groß.“
„Ach ja. Ick globe, dit wär‘ wat. Wat kost’n so eener?“
„Wir bieten sie geimpft, gechipt, untersucht und mit EU-Heimtierpass für 595,00 € besonders günstig an!“
„Bitte wieviel?“
„595,00 €!“
„Seh‘ ick aus, als hätte ick goldene Eier? Da krieg‘ ick ja ’n Gebrauchtwagen mit Fensterheber für! Für keene Beratung kann ick ooch gleich nach Polen rüber. Dit Modell mit Leine und Korb für unter 100, wetten? Da hab‘ ick mir ja mit Ketchup schon besser unterhalten! Frechheit!“
„Aber Sie wissen schon, dass fast alle dieser Hunde krank sind und viele sterben, oder?“
„Na klar. Allet schlecht machen, damit der Laden brummt. Aber nich mit Otto, klar?“
„Für den Preis müssen die Hündinnen unendlich leiden und einen Wurf nach dem anderen produzieren. Die sehen kaum Tageslicht und es geht ihnen sehr, sehr schlecht!“
„Komm’se. Regelmäßig Sex is ooch nich übel, wa? Außerdem will ick nich die Mama, sondern die Welpen.“
„Aber jeder Käufer trägt auch Mitverantwortung für so schlimme Bedingungen!“
„Passense mal uf: ick lass‘ mir doch keen Kotlett an die Backe quatschen! Möpse, Rüden, Pudel, Sie haben ja gar keene Ahnung ham’se nich. Wat weeß‘ denn ick, woher Ihre Welpen anjekarrt werden, wa? Is ja keen Nummernschild dran. Verkaufen Sie lieber Klopapier beim Schlecker! Dem isses egal, welchen Arsch sie damit wischen! Juten Tach ooch!“
Wütend verläßt Otto Normalignorant das Geschäft und freut sich auf ein paar Stangen Zigaretten, billigen Sprit und einen Welpen. Er wird sich einen gesunden heraus suchen, Otto ist schließlich nicht blöd. Ein bisschen Schwund ist immer.
Jeder von uns ist auch ein bisschen dafür verantwortlich, dass die Ottos lernen, was den Tieren gut tut. Dann geht es auch Otto gut. Schwundlos glücklich…
Ich finde, Möpse gehören ins Dirndl, dann röchelt nur das Herrchen und freut sich dran.
© Michael Marx – 05/2012
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