Flunsch und Wirklichkeit – oder wie ich lernte… Aber möge sich doch jede/r selbst ein bild machen über – nun ja – Politikversuche am lebenden Objekt: Hundehaltegesetz Berlin NEU. Was es will, kann oder nur möchte.

Claudia Hämmerling, Bündnis90 / Die Grünen, lud am Dienstag, den 20. März 2012 in den Preußischen Landtag, Sitz des Berliner Abgeordnetenhauses zur Diskussion. Ein Entwurf zum Neuen Hundegesetz für Berlin stand zur Diskussion, sowie Ansätze eines noch nicht veröffentlichten Entwurfs einer Arbeitsgruppe der Berliner Amtsveterinäre.

Pünktlich um 19:00 Uhr wurde die Veranstaltung, zu der etwa 60 geladene oder angemeldete Gäste gekommen waren. Dr. Klaus Lüdke, offiziell aus dem Amt entlassener aber dank fehlendem Nachfolger noch immer freiwillig amtierender Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin, moderierte die Veranstaltung. Nach einem Grußwort und der Feststellung, dass sie nicht mit so einem großen Diskussionsbedarf und Interesse gerechnet habe, eröffnetHämmerling das Treffen mit einer Powerpoint-Präsentation der wichtigsten Paragraphen bzw. Änderungen. Zur Vorgeschichte ihres Interesses für das Thema führte sie aus, dass der Auslöser der tragische Beißvorfall 2000 in Hamburg gewesen sei, bei dem ein Kind zu Tode kam und Auslöser der Rassenliste wurde. Diese hätte sie schon damals als falsch angesehen, alle Bemühungen um eine sachliche Diskussion zum Thema sei aber an dem medial geschürten Sicherheitsdenken gescheitert. Auch jetzt stünden die SPD wegen starken Einflusses der Kinderschutzorganisationen (SPD-nah) eher für eine Vergrößerung der Rassenlisten / Negativlisten ein, die CDU sähe dass nicht anders. Frau Hämmerling sähe ihre Arbeit als Konsensvorschlag, der in vollem Umfang kaum Chance auf Umsetzung hätte, aber wenigstens eine auf jeden Fall kommende Gesetzesänderung positiv beeinflussen solle. Eine Gesetzesänderung zum Hundegesetz stünde im Koalitionsvertrag. Das Ziel sei Prävention, ein angstfreier Umgang auch mit Menschen, die keine Hunde mögen. Die wichtigsten Punkte:

  • Abschaffung der Rassenliste, statt dessen für Hunde ab 40 cm Schulterhöhe bzw. ab 20 kg Gewicht sowie für ‚gefährliche Hunde‘ (Beißvorfall, Ungehorsam) Pflicht zum Sachkundenachweis, für eine Befreiung von Maulkorb- ODER Leinenzwang zusätzlich einen Hundeführerschein.
  • Für kleine Hunde freiwilliger Sachkundenachweis, sonst Maulkorb- ODER Leinenzwang. Zur Umsetzung sollten 50 Gutachter bestellt werden.
  • Große und ‚gefährliche‘ Hunde, die einen Hundeführerschein. bestehen, sollten mit einer deutlich sichtbaren grünen Plakette als ‚unbedenklich‘ gekennzeichnet werden, zusätzlich wäre ein berührungsfreier Transponder zur einfacheren Kontrolle durch das Ordnungsamt Pflicht. Das Ordnungsamt würde mit entsprechenden Lesegeräten ausgestattet werden. (Gesetzesentwurf zum Download).

Probleme gäbe es noch in einigen Punkten, die noch nicht ausgereift seien:

  • §3 Kennzeichnung Es müsse zur Überwachung ein Register aufgebaut werden, da eine zentrale Verwaltung aus Datenschutzgründen (zum Beispiel bei TASSO) nicht umsetzbar sei und ähnliche Versuche einer zentralen Erfassung nach Klagen vom zuständigen Gericht verworfen worden seien.
  • §4 Sachkunde Unklar sei, wie bei Jugendlichen und Gassi-Service u.ä. vorgegangen werden solle.
  • §5 Überprüfung Die Umsetzung der Überprüfung der Sachkunde, des polizeilichen Führungszeugnisses, der Haftpflichtversicherung müsse im Einzelnen noch geregelt werden. Der Sachkundenachweis sollte schon vor dem Erwerb eines Hundes vorhanden sein.
  • §10 Zucht Unerwünschte Zucht (Zucht mit kriminellem Hintergrund oder von Menschen mit Halteverbot, Zucht von Rassen, deren Zucht verboten ist, müssten den illegalen Züchtern abgenommen und in Tierheime überstellt werden. Darüber hinaus müsse geklärt werden, wer über Tötungen entscheiden solle, Vorbild wäre das Land Brandenburg, die eine Ethik-Kommission einrichten wolle, um nicht eine Einzelperson über ein Tierschicksal entscheiden zu lassen. Die Kosten lägen bei 25,00 € für den Sachkundenachweis, bei 50,00 € für den Hundeführerschein. und bei 75,00 für einen erweiterten Hundeführerschein bei bestimmten Rassen. Als Beispiel der unterschiedlichen Rahmenbedingungen wurde erwähnt, dass in Berlin 11, in Brandenburg 20 Hunde in der Rassenliste stünden, dass die Rassenliste in Niedersachsen abgeschafft sei und dass in Wien nach einem Volksbegehren sich 92% der teilnehmenden Bevölkerung für einen Sachkundenachweis für alle Hundebesitzer ausgesprochen hätten.

Damit begann die Diskussion, die von Dr. Lüdke eingeleitet wurde mit den Einwänden, dass bereits die jetzige Verordnung nicht überprüft werden könne und in Bezirken wie Marzahn / Hellersdorf täglich zahlreiche Listenhunde ohne Leine und Maulkorb anzutreffen seien. Darüber hinaus würden würden knapp 1% die heutigen Anforderungen an einen Hundeführerschein bestehen können, der Bedarf läge bei etwa 70-80 Übungseinheiten vor einer Prüfung, was kaum einer leisten könne. Hinzu käme, dass es zwar viele Hundeschulen gäbe, die aber längst nicht alle über die nötigen Voraussetzungen verfügen würden. Die anschließende Diskussion: …wurde mehrheitlich von Kritik am Entwurf beherrscht, nur wenige Redebeiträge hatten Alternativen oder Korrekturvorschläge vorzubringen, die allerdings von Frau Hämmerling mit großem Interesse aufgenommen wurden. Sehr interessant in diesem Zusammenhang der Beitrag der Amtsveterinärin des Bezirksamts Spandau von Berlin, Frau Dr. Diana Plange, einer Fachärztin für Tierschutz.

Sie erwähnte zur Einleitung, dass sie sich ihrer Rolle als Buhmann bewusst sei, sie aber darauf hinweisen wolle, dass unter den Amtstierärzten längst nicht alle übereinstimmen würden mit den noch weiter gehenden Forderungen der Arbeitsgruppe Hundegesetz der Berliner Amtsveterinäre. Sie sagte, dass es besser ein Hundehaltegesetz geben müsse, dass deren Ausbildung und Information im Vordergrund stehen sollten, sowie Bildung an den Schulen, die zwar viel über Hauskaninchen erfahren würden, aber nahezu nichts über Hunde und deren Verhalten. Darüber hinaus müssten die Hundehalter entkriminalisiert werden. Sie empfände Leine und Maulkorb über Jahre als absolut nicht artgerecht. Frau Dr. Plange forderte eine zentrale Registratur, über die man Hunde von Geburt bis zu deren Tod verfolgen könne, das ginge bei Rindern schließlich auch, also müsse dies umsetzbar sein. Vielfach angesprochen wurde der Sachkundenachweis unter dem Aspekt der Aktualität, der Kosten und der für viele schwierigen Prüfung.

Frau Hämmerling betonte, dass der Sachkundenachweis kein Intelligenztest sei und die 120 Fragen für alle lösbar und verständlich seien. Sie wisse auch, dass der aktuelle Sachkundenachweis inhaltlich überarbeitet werden müsse nach den neuesten Erkenntnissen. Eingehend auf die Forderungen eines Sachkundenachweises für alle Hundehalter wies sie auf die Notwendigkeit von Übergangsfristen hin, insbesondere bei älteren Menschen und deren kleinen Hunden. Zum Hundeführerschein sagte sie, dass das keine Gebrauchshundeprüfung sein solle, sondern dass lediglich sicherzustellen sei, dass der Hund in der Stadt jederzeit abrufbar und kontrollierbar sein müsse. Katharina von der Leyen, Hundebücherautorin hob das Hamburger Modell hervor, dass den Hundehaltern mit Sachkundenachweis Privilegien einräumen würde und auf geförderte Freiwilligkeit setze. Sie verglich unter Beifall die geplante grüne Plakette für Hunde mit Hundeführerschein als Judenstern und sprach – wie viele andere Redner auch – von einer Stigmatisierung, die einen negativeren Effekt wie eine Rassenliste hätte und sie in der Plakette im Gegensatz zu Frau Hämmerling keine Unbedenklichkeitsplakette sehen würde. Eine Vertreterin der Tiertafel Berlin forderte Ermäßigungen für Harz-IV-Empfänger und Mittellose, um auch diesen eine weitere Hundehaltung zu ermöglichen. Sie würden schon versuchen, Bedürftigen davon abzuraten, mehr als einen Hund zu halten, dennoch seien die Kosten für viele zu hoch. Frau Hämmerling bemerkte hierzu, dass eine Senkung der Hundesteuer als Belohnung nicht durchzusetzen sein bei der Senatsverwaltung für Finanzen und dass bei allen Kritiken und Ideen immer zu bedenken sei, dass es immer Schwierigkeiten gäbe bei Dingen, die Ressort übergreifend geregelt werden müssten. Da die Hundesteuer in den gemeinsamen Topf flösse, sähe sie hier keine Chancen auf Änderungen. Positiv aufgenommen wurden die Ansätze, in den Schulen bereits für Aufklärung Sorge zu tragen, um Kindern einen angstfreien Umgang mit Hunden zu ermöglichen. Es gäbe hier viel mehr Anfragen seitens der Schulen, als geeignete Hunde und Hundeführer bereit stünden. Die häufigsten Kritikpunkte:

  • Der Entwurf sei kein integrierendes, sondern ein separierendes Gesetz;
  • Vorschläge von Gutachtern und Fachleuten seien nicht einbezogen worden;
  • Alle Hunde seien per se böse bis zum Beweis des Gegenteils;
  • Wer einen Listenhund besäße, bekäme keine Wohnung;
  • Es müssten Standards bzw. eine Zertifizierung für Hundeschulen geben sowie ein Verbot bestimmter rziehungsmethoden;
  • Beißvorfälle in der Familie seien auch mit einem Sachkundenachweis nicht lösbar;Es sei nicht klar, welche Prüfungen anerkannt werden würden;
  • Konflikte würden nur durch das Ordnungsamt verursacht;
  • Grundlage des Gesetzes sei eine Reduzierung des Hundebestands in Berlin.

Folgende Vorschläge wurden von Frau Hämmerling zur Bearbeitung notiert:

  • Nach dem Hamburger Modell Privilegien mit Sachkundenachweis, zum Beispiel ohne Leine in einigen Parkanlagen (Modell Hamburg);
  • Vereinheitlichung von Zuständigkeiten auf Bundesebene;
  • Einheitliche Liste der anerkannten Prüfungen zum Hundeführerschein, um doppelte Kosten zu vermeiden: Jagdleistungsprüfungen, Hüteleistungsprüfungen, Gebrauchprüfungen, Gehorsamsprüfungen, Sportprüfungen, Prüfungen für Rettungs-, Blinden- und Behindertenhundeprüfung etc..
  • Inhalte von Hundeführerschein und Sachkundenachweise müssen ins Internet gestellt werden, damit sich Halter besser vorbereiten und Kosten sparen können.

Die Sprecherin des Tierheim Berlin, Stefanie Esch, führte aus, dass im Tierheim über 50% Listenhunde säßen mit sehr schlechten Vermittlungschancen. Es müsse eine Ethik-Kommission geben, die entscheiden würde, welches Tier mit negativer Prognose ohne Vermittlungschancen noch beschult werden könne und welches getötet werden müsse, um ihm ein Leben im Zwinger unter Stress zu ersparen. Das bestehende Gesetz müsse dringend überarbeitet werden, da die meisten abgegebenen Hunde aus schlechter Halterschaft stammen würden, was durch Sachkundenachweis und Hundeführerschein minimiert werden könne. Jedes Tier in einem Tierheim sei eins zu viel. Insgesamt sei festzustellen, dass das Wissen um die Haltung von Hunden abnehme. Stefanie Esch beurteilte die Diskussion insgesamt als traurig und negativ, da keiner überprüft werden wolle. Es gehe schließlich darum, Alternativen zu erarbeiten, die das Zusammenleben mit Tieren verbessern helfe durch eine Art TÜV für Hundehalter. Zum Thema Hundeauslaufgebiete sagte Dr. Lüdke, der Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin, dass die Bezirke sich schlicht weigerten, Gebiete als Auslaufgebiete auszuweisen und er die Naturschützer deutlich gegen sich habe. Ferner sagte er, dass alle Versuche, über Höhe oder Sinn der Hundesteuer zu reden, schon beim Pförtner enden würden.

Im Schlusswort äußerte sich Frau Hämmerling nicht sehr zufrieden über die Diskussion, weil einigen offenbar nicht klar sei, dass es hier nicht darum gehe, ein allen gerecht werdendes Gesetz zu verabschieden, sondern darum, ein konsensfähigen Entwurf einzureichen, um weit schlimmeres zu verhindern, da Bündnis90 / Die Grünen keine Regierungsgewalt in Berlin hätten und in Zusammenarbeit mit den Piraten und Der Linken lediglich versuchen könnten, einen positiven Einfluss zu erreichen. Sie wäre aber gerne bereit, Vorschläge zu bearbeiten und in weiteren, dann aber kleineren Gesprächsrunden zu diskutieren. Sie gab zu, dass das Gesetz durchaus einer Reduzierung großer Hunde im Stadtbild diene, aber in einer Großstadt wie Berlin eben andere Voraussetzungen vorlägen als in ländlichen Gebieten. So sei das neue Gesetz sicher in erster Linie zur Gefahrenabwehr gedacht, auch wenn Aspekte des Tierschutzes enthalten seien.

Mein persönliches Fazit: mit anderen Pfoten bin ich der Meinung, dass eine Sachkundenachweis für alle Hunde Pflicht sein sollte. Wer sich und seinen Hund / seine Hunde freiwillig einem Hundeführerschein unterzieht, sollte dafür belohnt werden (Leinen- bzw. Maulkorbverzicht, Auslauf in einigen Parks). Es ist nicht in den Köpfen vieler Hundehalter angekommen, dass sie maximal 7-8% der Berliner Bevölkerung repräsentieren, also eine recht kleine Minderheit sind (110.000 angemeldete, als etwa 160.000 real existierende Hunde bei 3,4 Millionen Einwohnern, viele Hundebesitzer mit mehr als einem Hund). Wer aus dieser Position fordert, wedelt als Schwanz mit dem Hund. Real präsentiert sich für Nichthundehalter eine wachsende Belästigung durch Kot, da das Beseitigen eher ab- als zunimmt. Wer als Minderheit fordert, muss auch dafür Sorge tragen, das eigene Image positiv zu fördern. Wer sich im Stadtbild umschaut, wird sehr viele Halter entdecken, die von ihren Vierbeinern leicht bis total überfordert sind und entsprechend reagieren. Der Gedanke, ein Hundehaltegesetz zu schaffen, ist daher nur positiv, sollte aber auf Härtefälle (Mittellosigkeit, Senioren u.ä.) Rücksicht nehmen.

Wer einen Hund hält, muss sich aller Konsequenzen und seiner Verantwortung Hund UND Mensch gegenüber im Klaren sein und entsprechend handeln. Es ist zumutbar, Hundetüten stets mit sich zu führen, die Kosten sind marginal. Es ist zumutbar, auf Menschen, die keinen Hund haben oder sogar Angst davor, Rücksicht zu nehmen. Es ist zumutbar, einem Hund mit der nötigen Sachkenntnis ein schönes und entspanntes Leben zu ermöglichen, zumal sich eine Vielzahl der Hundehalter als Tierfreund, wenn nicht als Tierschützer bezeichnet. Es kann nur positiv sein, wenn sich ein Gesetz – auf Grund welcher Zielsetzung auch immer – indirekt einer Steigerung der Lebensqualität derjenigen Lebewesen widmet, die der beste Freund des Menschen (?), der treueste Kamerad (?) und besser als jeder Mensch (?) sind in den Augen der Mehrheit einer Minderheit. Es ist zumutbar, konstruktiv mitzuwirken, wenn man denn mal darf. Eine Zumutung hingegen ist, zu negieren, zu blockieren und einseitig nur zu fordern. Wenn ich als Hundehalter von anderen gemocht werden möchte, muss ich mich entsprechend verhalten. Meine Forderung: so schnell wie möglich den aktualisierten Fragekatalog des Sachkundenachweises sowie alle Prüfungs-Anforderungen des Hundeführerscheins inklusive einer Liste der Prüfungen, die diesen automatisch beinhalten, ins Internet, um allen Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich und ihre Vierbeiner möglichst gründlich und kostenneutral vorbereiten zu können – was auch im Sinne der Allgemeinheit ist.

  • HIER das offizielle Ergebnisprotokoll von Frau Hämmerling
  • HIER die aktuelle Version des Gesetzesentwurfs zum Hundehalegesetz

© Michael Marx – 03/2012

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