Kunstaktionen und Tierschutz? Es gibt nicht nur dazu eine gute und eine schlechte Nachricht. Da Wochenende droht, die gute zuerst: Facebook (Eigenschreibweise: facebook; englisch „Gesichtsbuch“) ist eine Online-Gemeinschaft zum Erstellen, Betreiben und Pflegen sozialer Netzwerke (!) – so zumindest die Quelle Wikipedia.

Die schlechte Nachricht erreicht den geneigten Leser rechtzeitig zum Tage des Herrn: Facebook wird in Schriftform die Bibel ersetzen. Das ist nur konsequent, sage ich, wird in Schriftform auf Facebook Veröffentlichtes bereits in der Gewichtung Gottes Wort gleich gesetzt. Hypnotisierte Gemeinden kleben mit verklärtem Blick selbst an der rudimentärsten Äußerung bar jeden Inhalts als neuen Katechismus im kontaktlosen Zwielicht der pseudo-anonymen Selbstdarstellung beim Austausch von Lieblingsmonologen, Diskussion, ja, Diskurs ist selten.

Das so genannte soziale (?) Netzwerk ist aufgeteilt in Interessengruppen, was a) zwar hinderlich ist, aber b) von den Nutzern in aller Regle nicht bemerkt wird. Wer sich im ’sozialen‘ Umfeld Musik äußert, erfährt nahezu nichts aus dem ’sozialen‘ Umfeld ‚Tierschutz‘ und umgekehrt, zwei Beispiele von vielen, aber Beispiele, in denen ich mich sehr intensiv bewege. Während es im ‚Musikzimmer‘ vergleichsweise entspannt zugeht, ist im ‚Tiergehege‘ stets Pogo, sachliche Auseinandersetzungen eher unüblich, der Umgangston teilweise grenzwertig, oft justiziabel, immer wieder persönlich und üblicherweise aufgeregt. Besonders dann, wenn gezielte Steinchenwürfe Kreise ziehen. Verlässlich planbar. Aber man bleibt weitestgehend unter sich.

Während sich in Gruppen schwarzer, schwärzerer und triefstschwärzester Listen und andrer Auf- und Abklärwerkergruppierengen – alle so geheim, dass in allen die gleichen Vertreter der Hundeverdreher- und Transportmafia sitzen wie die Spinnen im Netz, warten die Aufreger-Verwerter regungslos vor ihrer Verbindung zur Außenwelt, um sofort und spontan jede Information zumindest zu teilen, die ethisch und moralisch unvertretbar ist. Ethisch und moralisch vertretbar. Womit?

So gelangen auch Fakes in den Umlauf. Oder gezielt platzierte Meldungen, die – kalkulierte – Reaktionen hervor rufen sollen. In jüngster Zeit gab es hierfür zwei prominente Beispiele:

  • Das geplante Töten zweier Welpen als Kunstaktion in Berlin am 30. April. Auffallend war, dass der Name der genannten Künstlerin nicht googlebar war, was selbst für Kunststudenten ungewöhnlich ist, die sehr wohl wissen, wie sie sich und ihre Kunst im Internet zu inszenieren haben. Als Postadresse wurde ein c/o einer höchst realen Münchener Anwältin genannt, sie ausgerechnet auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisiert war und auch als Anmelderin und Admin-C der entsprechenden, aber bemerkenswert dünnen Webseite bei der Denic (Deutsche Registrierungsstelle für .de-Domains) benannt war, auf der sie im Impressum ebenfalls auftauchte. Nach zwei Tagen wurde das Impressum gelöscht – auf Betreiben der Anwältin.

Jeder RA weiß, dass eine Tötung eines Tieres im Rahmen einer Performance auch nach dem recht interpretationsfähigen Deutschen Tierschutzgesetzes eine Straftat darstellt, die auch durch die Freiheit der Kunst nicht außer Kraft gesetzt wird. Sie/er (RA) würde das zwar vor Gericht anders darstellen, ganz sicher aber nicht unter Vorsatz – also wissentlich duldend – eine solche Tat auf eigenem Namen ankündigen (lassen). Das würde ziemlich sicher die Zulassung kosten.

Jedem Anmelder einer solchen Aktion ist von vornherein klar – erst Recht mit Rechtsberatung -, dass eine solche Performance nicht genehmigt werden kann und auch nachgeordnete Instanzen keine Genehmigung hierzu erteilen wird, auch die Freiheit der Kunst hat schließlich Grenzen.

  • Aktuell eine angekündigte Performance, in deren Verlauf zwei Schafen mittels einer Guillotine der Kopf vom Rumpf abgetrennt werden soll. Auch hier gilt, dass eine solche Performance nicht genehmigt werden kann und würde, bei Durchführung läge eine Straftat vor.

Interessant dabei: beide Aktionen sollten in Berlin statt finden, etwa zur gleichen Zeit. Beide Aktionen wurden auf Facebook in Umlauf gebracht, im Falle der Schafe auch via Video-Botschaft über YouTube. Beide Aktionen lösten einen Sturm von Reaktionen aus, der die Namen der Akteure mit einem Schlag weit über den virtuellen Raum hinweg bis in die Magazine und Tageszeitungen katapultierte, in beiden Fällen handelt es sich um bis dahin nahezu unbekannte Akteure.

In einem Punkt haben die Personen Recht, die der Meinung waren, dass es bei den Meldungen keine reinen Fakes waren. Dennoch handelte es sich um platzierte Meldungen / Ankündigungen, deren Verbreitung als das eigentliche Ziel, die eigentliche Performance zu sehen ist.

Während im Fall eins (Welpen) die Veröffentlichung für einen Entrüstungssturm bis hin zum Wunsch nach Todesstrafe sorgte und teilweise für Stunden den Webseitenserver lahm legte bzw. zum Abschalten der Domain führte, gingen die Verursacher der zweiten Aktion (Schafe) subtiler zu Werke. Sie veröffentlichten ein Video, die die Vorbereitung der Aktion zeigte und präsentierten in diesem Zusammenhang eine Guillotine, die selbst konstruiert und gebaut voll funktionsfähig ist. Darüber hinaus gingen sie noch weiter und baten um eine Abstimmung darüber, ob getötet werden solle oder nicht – im Namen der Kunst. Wie nicht anders zu erwarten, stimmten etwa 60% für die Tötung, des Spektakels wegen. Die ‚Künstler‘ sind mittlerweile kleinlaut verstummt.

In beiden Fällen – so meine These – ging es den Akteuren nicht darum, sich bewusst strafbar zu machen. In beiden Fällen ging es um kalkulierte Provokation. In beiden Fällen ist Konzept, Planung, Durchführung und Kommunikation durch Verbreitung selbst die Performance, die dokumentiert als Video, Text, Mischung verschiedener Medien etc. selbst das Werk darstellen, Beispiele aus der jüngeren Kunstgeschichte gibt es genügend in Form gezielter Tabubrüche. Dazu nur zwei (exemplarische) Beispiele:

Es das Gründungsmitglied der Londoner Künstlerbewegung Young British Artists Damien Hirst, der 1988 die Ausstellung Freeze im Londoner Hafenviertel organisierte und in Formaldehyd eingelegte Tierkörper – interessanter Weise auch ein SCHAF – zeigte und damit für erhebliches Aufsehen und teils äußerst aggressive Entrüstung sorgte.

1997 wurde im SPIEGEL über die Ausstellung eines bis dahin namenlosen Künstler berichtet, der im Rahmen einer Ausstellung in Bolivien einen ausgezehrten Straßenhund in einem Ausstellungsraum ankettete und dort vor den – untätigen – Augen der Besucher verhungern und verdursten ließ. Unerreichbar für das sterbende Tier war mit Hundefutter ein Schriftzug an der Wand befestigt, Wasser gab es keins. Angeblich sei das Tier unerwartet und ungeplant gestorben, da sein Gesundheitszustand falsch eingeschätzt worden sei, so zumindest der ‚Künstler‘. Zu einer Wiederholung der Aktion kam es nicht. Der Fall taucht aber nahezu jährlich wieder als aktuell auf und wird auch  -trotz sehr guter Quellenlage! – als jeweils aktuell behandelt.

In den jüngsten Fällen lag jeweils auf der Hand, dass eine angekündige Straftat unter Namensnennung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht durchgeführt werden würde. In ALLEN Fällen gilt, dass besonnenes Handeln der beste Weg ist. Wenn eine solche Meldung auftaucht:

  • Ruhe bewahren. Wenn ein Ort angegeben ist, bei den zuständigen Behörden eine Anzeige erstatten und dies dann umgehend verbreiten! 100 Anzeigen bewirken das gleiche Ergebnis wie eine einzige, da nach Gesetzeslage entschieden wird und nicht nach Abstimmungsergebnis.
  • Nachforschungen anstellen über Namen der Akteure, vielleicht bekannte Hoax/Fakes, auch über ähnliche Aktionen oder solche, die in der Vergangenheit liegen (der Hoax des verhungernden Gallerie-Hundes konnte allein über Google innerhalb von Minuten ‚enttarnt‘ werden, erregte aber zigtausend Gemüter über Tage!).
  • Die Information bei Facebook melden und um sofortige Löschung/Sperrung bitten.

In den meisten Fällen geht es um die Reaktion der Gläubigen der Facebook/YouTube-Gemeinde, um Publicity, um das soziale Netzrauschen, um ein Fünkchen – fragwürdiger – Berühmtheit, wenigstens für ein paar Stunden. Jeder Entrüstungssturm erfüllt diesen Wunsch und ermuntert Trittbrettfahrer, Nachahmer.

Gewinner sind diejenigen, die besonnen reagieren und damit denen die Grundlage entziehen, die sich perfider Ideen bedienen, ihrer Anonymität zu entgehen. Würden sich mehr ‚Aufreger-Verwerter‘ zuerst eine Tasse Tee gönnen und recherchieren bzw. reagieren lassen, wären die Verlierer die, die mit den Gefühlen ihrer Mitmenschen spielen und sich diebisch freuen, wenn der kalkulierte Entrüstungstsunami durch die Netze schwappt.

Es gibt nur allzu reale Probleme im ‚Tiergehege‘ zu lösen:

  • Die erneute Welpenflut über die Grenzen von Tschechien und der Slowakei und deren Transporte, die sich kreuz und quer durch die Republik verfolgen lassen;
  • Das dreiste Auftreten der unter dem vermeintlichen Gütesiegel ‚Tierschutz‘ von mehr krimineller Energie als im Drogenhandel getriebener und unter Klarnamen und zahllosen Fakes munter sammelnder, vertreibender, verleumdender und drohender ZeitgenossInnen;
  • Das mehr als bedenkliche Verhalten teilweise großer Organisationen, denen das Gütesiegel ‚Tierschutz‘ mehr der Akquise von Mitgliedern und Spendengeldern dient denn des tätigen Tierschutzes;
  • Der Kritiklosigkeit derer, die kriminellem Verhalten und einer De-Facto-Veruntreuung von Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen erst den Nährboden bereiten;
  • Die Ignoranz gegenüber dem politischen Tierschutz, ohne den aber keine Nachhaltigkeit erreicht werden kann – zu Gunsten der schamlosen Ausbeuter und zu Lasten der angeblich doch so geliebten Tiere.

Die nämlich sind bis heute und auf viele Jahre hinaus die Verlierer, die die Zeche mit ihrem Leben bezahlen müssen. Selbst für Kunstaktionen.

© Michael Marx – 06/2012

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